Bin ich alt?

Vom Älterwerden und dem „Verfallsdatum“ von Frauen –

im Fernsehen und anderswo.

Wann ist man alt?

Über die Frage habe ich das erste Mal nachgedacht, als ich vor vielen Jahren mit meinem jüngsten Sohn über seine neue Klassenlehrerin sprach. „Wie ist die denn so“, fragte ich. „Sehr alt!“, erklärte mein Knirps im Brustton der Überzeugung. „Ungefähr so alt wie Du.“… Ich war damals Anfang 40 – die Lehrerin, wie sich später herausstellte, Ende 20. Aber jenseits von 18 ist ein Erwachsener offenbar für jedes Kind steinalt.

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Inzwischen habe ich im Laufe von Jahren unzählige Tiegel mit Anti-Aging-Cremes verbraucht, um das Altern irgendwie hinaus zu zögern. Geholfen haben die nicht wirklich, denn beim Blick in den Spiegel entdecke ich immer mehr Furchen und Linien, die da früher nicht waren. Oder sehe ich sie plötzlich nur viel besser, weil die neue Brille gegen Altersweitsicht meinen Blick geschärft hat?

Ich doch nicht!

Naja, man ist ja souverän und selbstbewusst und steht zu seinen Falten, denn schließlich hat man sie sich ja mühsam genug erarbeitet, auch wenn ich auf dieses Plissée um die Augen, ehrlich gesagt, gut und gern verzichten könnte. Aber alt? Ich doch nicht!

Ende 50…

Stutzig machte mich allerdings eine Begebenheit vor ein paar Monaten. Ich hatte eine Veranstaltung moderiert und dabei eine wirklich interessante Frau kennengelernt. „Klug,  tolle Ausstrahlung, aber schon älter,  Ende 50, Anfang 60“, so beschrieb ich sie später meinem Mann. Bis es mir wie Schuppen aus den Haaren fiel: Moment mal, Anfang 60 bin ich doch inzwischen selber. Wenn mir diese Frau „älter“ vorkam, dann musste ich doch auf andere genauso wirken!?

Mediales VerfallsdatumDenn .

Tatsächlich wurde mir in den letzten Jahren auch von Kollegen und Vorgesetzten mehr oder minder behutsam suggeriert, dass ich allmählich das mediale Verfallsdatum erreiche.  „Sag mal, wie lange willst Du das noch machen?“, „Schon mal was von Botox gehört?“, oder „Hast Du diesen Sendungsstress wirklich noch nötig? Willst Du Dir nicht ein bisschen mehr Ruhe gönnen?“  Hallo! Ich bin Anfang 60, keine hundert! In dem Alter hat Mao noch eine Revolution angezettelt und die Volksrepublik China gegründet. Adenauer wurde mit 73 Bundeskanzler und nach Udo Jürgens fängt das Leben mit 66 Jahren überhaupt erst an.

„Verjüngung“

Aber die bittere Wahrheit ist: In der Fernsehbranche sind Alter, Falten, schlaffe Lider – jedenfalls für Moderatorinnen – ein k.o.-Kriterium. Die Anstalt, für die ich seit mehr als 30 Jahren tätig bin, setzt deshalb auf „Verjüngung“. Natürlich nur bei den Frauen, versteht sich, denn Männer werden bekanntlich ja nicht alt, sondern von Jahr zu Jahr nur immer interessanter.

Ältere Moderatorinnen erinnern ein bisschen an antiquarische Bücher – sie haben allenfalls noch Seltenheitswert und werden ersetzt durch frisch gedruckte, sauber eingeschweißte Exemplare oder gleich ein E-Book, das man bei Nicht-Gefallen mit einem Click auch wieder löschen kann.

Aber auch wenn der Einband angegilbt und knittrig sein mag, der Inhalt ist deshalb doch nicht automatisch langweilig oder überholt. Im Gegenteil, im Laufe der Jahre sind zu diesem Buch noch jede Menge interessanter, neuer Seiten hinzu  gekommen: Lebenserfahrung, Kompetenz, Analysevermögen, Souveränität, Unabhängigkeit…  Sicher, Alter ist per se kein Qualitätsmerkmal, aber Jugend doch genauso wenig, oder? Um im Bild zu bleiben: Auch mit Ende 50 fühle ich mich noch lange nicht leergelesen!

Alt oder zu alt?

Trotzdem: Ab einem bestimmten Alter ist eine Frau nicht nur alt, sondern im Fernsehen gleich zu alt. Aber wer behauptet das eigentlich? Und haben die – übrigens überwiegend männlichen – Entscheider mit ihrer „Verjüngungs“-Strategie auf dem Bildschirm recht? Ich meine, nein, und finde, da muss sich etwas ändern – denn ja, mit 61 bin ich für manchen viellcht schon alt, aber zu alt bin ich auf keinen Fall!