Die Lange Bank
Wollt Ihr Euch mal so richtig ertappt fühlen? Und gleichzeitig wegschmeißen vor Lachen? Ich verlinke Euch unten ein Video, das zu beidem Anlass gibt – sehr gekonnt, sehr treffend, sehr witzig.
Dabei ist das Thema nicht wirklich komisch, denn es geht mit gravierenden Angst-Attacken, furchterregender Unruhe und am Ende durchwachten, schweißtreibenden Nächten einher. Nein, ich rede nicht von den Wechseljahren und auch nicht von Magen-Darm-Infekten. Es geht um’s Aufschieben, Rauszögern, Verschleppen, um die berühmt-berüchtigte „lange Bank“, eine Erledigungs-Blockade oder – ganz wissenschaftlich – um Prokrastination.
Ablenkung und andere Vermeidungs-Manöver
Warum denke ich ausgerechnet heute über dieses psychologisch hoch komplexe Phänomen nach – klar: Akuter Fall von Prokrastination. Schon vor dem Einschlafen gestern stand fest: Heute muss es passieren! In 4 Tagen habe ich einen Vortrag zu halten und noch immer steht – außer Überschrift und Begrüßung – nichts auf dem Papier. Als ich beim Aufstehen meine Beine dynamisch aus dem Bett schwinge, um zeitnah loszulegen, fällt mir ein, dass ich schon länger nichts mehr von meiner Freundin Karin gehört habe. Ich schwinge die Beine also zurück ins Bett und wähle ihre Nummer.
Was hat El Niño mit meinem Vortrag zu tun?
Nur die Mailbox – hm… Ich schreibe ihr eine Mail, höre nach, ob alles ok ist bei ihr, wann wir denn mal telefonieren wollen, was ich so treibe und so weiter, und so weiter. Sie war gerade mit der Familie in Urlaub, wäre doch mal ganz interessant zu schauen, wie das Wetter so war… Dauerregen – die Armen! Dabei waren die im Süden! Wieviel Regen ist dort zu dieser Jahreszeit eigentlich normal, ich sollte mir mal die sonst üblichen Niederschlagsmengen zu dieser Jahreszeit anschauen… Ja, die Regenmengen in diesem Winter liegen deutlich über den statistischen Durchschnittswerten. Vielleicht schon eine Auswirkung des Klimawandels, hat der Jet-Stream damit zu tun oder El Niño? Ich recherchiere zu der Wetter-Erscheinung und stelle fest: Tatsächlich – 2020 wird ein El Niño-Jahr! Also: Orkane, sintflutartige Regenfälle, Überflutungen, Waldbrände in Australien, Dürren in Afrika…. Ich halte kurz inne und überlege: Was hat El Niño eigentlich mit dem Gegenstand meines Vortrags zu tun? REIN GAR NICHTS!
Fang an, anzufangen!
Es wird Zeit, mich zu sammeln und meinen Focus auf das ursprüngliche Projekt dieses Tages zu lenken. Ich beschließe, endlich in die Gänge zu kommen, schnappe meinen Laptop und meine Unterlagen und begebe mich zum Schreibtisch. Der allerdings ist übersät mit allem möglichen Kram, den ich da ganz kurz mal abgelegt hatte, arbeiten kann ich so aber auf keinen Fall. Das heißt, ich muss erstmal aufräumen. Fotos in die Fotokiste. Die müsste auch mal wieder sortiert und in Ordnung gebracht werden…
Stunden später ist die Fotokiste neu organisiert, nach Themen geordnet und mit verschiedenfarbenen Ettiketten säuberlich beschriftetet. Eigentlich sollte ich mir endlich mal so ein Beschriftungsgerät besorgen. Das sieht einfach ordentlicher aus. Da schaue ich doch gleich mal, was es so bei Amazon gibt…
Gleich Morgen Fang‘ ich an…
Ich brauche einen Kaffee und nach dem arbeitsintensiven, strapaziösen Vormittag endlich eine Pause. Gelegenheit, mal länger darüber nachzugrübeln, warum ich alles mögliche in Angriff nehme, nur nicht DAS, was im Augenblick wirklich am dringlichsten ist. Was für ein Problem habe ich eigentlich? Ausgiebige Internetrecherche nach der Kaffeepause ergibt: Ich habe eine „Erledigungs-Blockade“ – eigentlich ein hübsches Wort. Klingt auf jeden Fall besser als „Bummelei“ oder „Aufschieberitis“. Ich google den Fachbegriff Prokrastination, der sich aus dem lateinischen pro „für“ und crastinum „Morgen“ zusammensetzt – interessant! Ist eine psychologische Störung, die gekennzeichnet ist von „unnötigem Vertagen des Beginns von Aufgaben“ und geht mit „hohem Leidensdruck einher“. Wohl wahr! Und absolut spannend! Ich beschließe einen Blog-Post zum Thema zu verfassen und finde bei der Recherche dieses Video… (unbedingt gucken!)
Danach schaue ich mir noch ein paar weitere TED-Talks an – sensationell, wie die das immer so auf den Punkt bringen…
Ich schaue auf die Uhr: Mensch, schon so spät! Ich muss dringend mit dem Hund gehen und um die Wäsche hab‘ ich mich auch noch nicht gekümmert…
Ach, und was meinen Vortrag anlangt: Morgen ist auch noch ein Tag!